Schmetterlinge
am Winderatter See
Einleitung
Das landschaftlich vielfältige Gebiet um den Winderatter See südöstlich von Flensburg liegt im Naturraum des Ostholsteinischen Hügellandes. Das Untersuchungsgebiet wird von der Kielstau durchflossen, die mit ihrem Wassereinzugsgebiet weite Bereiche prägt. Vor 27 Jahren konnten der See und viele der ihn umgebenden Flächen von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein erworben werden. Seither wird mit Hilfe einer extensiven Rinderbeweidung die Entwicklung einer Halboffenen Weidelandschaft gefördert. Kleinflächig werden weitere Pflegemaßnahmen durchgeführt, um besonders naturschutzfachlich wertvolle Bereiche zu entwickeln. Ein kleiner Teilbereich im Osten des Gebietes wird zudem ausschließlich von einer Wanderschafherde aufgesucht.
Die Betreuung des Gebietes wird vom Förderverein für Natur und Umwelt „Winderatter See – Kielstau“ seit vielen Jahren übernommen. Der Verein fördert die wissenschaftliche Beobachtung der Gebietsentwicklung inklusive faunistischer und floristischer Bestandsaufnahmen, um Rückschlüsse auf die Effektivität der durchgeführten Pflegemaßnahmen, der Gebietsentwicklung und die ökologischen Ansprüche besonders schützenswerter Arten zu bekommen. Der vorliegende Bericht soll hierzu einen weiteren Beitrag hinsichtlich der bislang unerforschten Großschmetterlingsfauna des Gebietes leisten.
Ergebnisse und Bewertung
Bei der 2016 erfolgten Kartierung konnten 296 Großschmetterlingsarten nachgewiesen werden. Darunter befinden sich eine stark gefährdete Art sowie vier gefährdete Arten der Roten Liste Schleswig-Holsteins. Außerdem stehen 9 der festgestellten Arten auf der Vorwarnliste.
Bundesweit ist die in Schleswig-Holstein als ungefährdet geltende Teichröhricht-Schilfeule (Globia algae) als stark gefährdet eingestuft. Der Zahntrost-Kapselspanner (Perizoma bifaciata) wird zudem als gefährdet geführt. Zwei weitere Arten stehen auf der Vorwarnliste Deutschlands (vgl. Tabelle)
Nur wenige der nachgewiesenen Großschmetterlingsarten sind in Schleswig-Holstein in ihrem Bestand bedroht. Zu den wertvollsten Lebensräumen zählt trotz der geringen Größe vor allem die orchideenreiche Niedermoorwiese, die noch eine Reihe spezialisierter Arten, wie die Sumpfgras-Spannereule (Macrochilo cribrumalis), aufweist. In allen weiteren Lebensräumen sind nur einzelne seltene Arten zu finden, was sich vermutlich aus der Nutzungshistorie des Untersuchungsgebietes erklärt. Die inzwischen entwickelte Weidelandschaft mit den angrenzenden Wäldern ist aus vormaliger intensiver land- und forstwirtschaftlicher Nutzung hervorgegangen, deren Spuren noch vielerorts im Gebiet zu erkennen sind. Einhergehend mit dieser Phase der intensiveren Nutzung der Flächen sind vermutlich die spezialisierten und anspruchsvollen Schmetterlingsarten verdrängt worden. Auch eine Wiederbesiedlung nun erneut geeigneter Strukturen ist aus der umgebenden stark anthropogen überformten Landschaft für viele Arten sicherlich schwierig bis unmöglich, da geeignete Quellpopulationen nicht mehr in der Umgebung vorhanden sind.
Andere Lebensräume bzw. Pflanzenbestände sind zu klein, um ausreichend große Populationen spezialisierter Schmetterlingsarten zu beherbergen. So finden sich innerhalb der Niedermoorwiese nur noch wenige Quadratmeter aus niedrigwüchsigen Beständen von Gelbseggen und Kleinem Baldrian.
Eine schleswig-holsteinische Besonderheit ist die abweichende Einstufung der Teichröhricht-Schilfeule (Globia algae) in den Roten Listen. Dieser Nachtfalter gilt bundesweit als stark gefährdet und wird in den meisten Bundesländern nur noch sehr selten gefunden. Nur in Schleswig-Holstein ist die Art noch verbreitet und lokal sogar häufig anzutreffen. Da sich die Raupen bevorzugt in Schmalblättrigem Rohrkolben entwickeln, profitiert die Art von der Anlage von flachen und gut besonnten Amphibiengewässern, wie am Winderatter See.
Die insgesamt nachgewiesene Artenvielfalt an Großschmetterlingen ist am Winderatter See trotzdem bemerkenswert hoch. Sie spiegelt die landschaftliche Vielfalt des Untersuchungsgebietes wieder, da sich hier von Wäldern über die Röhrichte bis zum Grünland unterschiedliche Lebensräume in enger kleinräumiger Verzahnung entwickeln und so zudem eine große Strukturvielfalt aufweisen. Von den 902 aus Schleswig-Holstein bekannten Großschmetterlingen konnte mit 296 am Winderatter See nachgewiesenen Arten ein Drittel der heimischen Fauna im Untersuchungsgebiet festgestellt werden.
Die Aufschlüsselung der nachgewiesenen Schmetterlingsarten anhand ihrer Lebensraumansprüche verdeutlicht eine starke Dominanz der an Gehölze und Gehölzstrukturen gebundenen Arten. In der Kategorie „Wald“ wurden hier sowohl die im Wald als auch die an solitär stehenden Bäumen, vor allem an den Eichen, lebenden Arten zusammengefasst. Von diesen wurden die an Gebüschen und Hecken sowie an Waldsäumen lebenden Arten aufgrund der abweichenden ökologischen Anpassungen als eigene Gruppe abgegrenzt. Hier sind aktuell nur 4% der Arten vertreten, doch besteht in der weiteren Ausbildung und strukturellen Ausprägung der Übergangssäume vom Wald ins Offenland noch ein hohes Entwicklungspotential.
Die Röhrichte und das Niedermoor beherbergen nicht ganz 10% der festgestellten Arten, doch sind diese zumeist Lebensraumspezialisten, die nicht auf andere Biotope ausweichen können. Der Erhalt der Röhrichte bzw. die Entwicklung der artenreichen Niedermoorwiese sollte deshalb besonders im Fokus stehen.
Im Grünland findet sich knapp ein Drittel der nachgewiesenen Schmetterlingsarten. Mit Ausnahme des Zahntrost-Kapselspanners (Perizoma bifaciata) fehlen hier trotz der naturschutzfachlich positiv zu bewertenden Rinderbeweidung weitere gefährdete Schmetterlingsarten. Die spezifischen Vegetationsgesellschaften werden auf den natürlicherweise nährstoffreichen Böden bislang noch von wenigen Pflanzenarten dominiert. (vgl. Grafik)
Management aus schmetterlingskundlicher Sicht
Nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen muss die Entwicklung der Schmetterlingsfauna differenziert betrachtet werden. Da die bereits vielfältigen Lebensräume am Winderatter See aus einer Phase der intensiven land- und forstwirtschaftlichen Nutzung hervorgegangen sind, ist der Anteil von besonders seltenen und gefährdeten Schmetterlingsarten sehr gering.
Die inzwischen eingeleitete Entwicklung der Halboffenen Weidelandschaft inklusive der angelegten Amphibienteiche sowie der im Eigentum der Stiftung Naturschutz befindlichen Waldgebiete hat bereits zu einem bemerkenswerten Artenreichtum insbesondere der Nachtfalterfauna geführt.
Der Entwicklung der besonders artenreichen Übergangszonen (Ökotone) zwischen Offenland und Wald steht die momentan durch den Gesetzgeber geforderte klare Trennung von Beweidungsflächen und Wald gegenüber, da die Zauntrassen ansprechend geführt und offengehalten werden müssen. Hier könnte zumindest in Bereichen angrenzender Stiftungswälder eine Versetzung der Zauntrasse um 10 bis 15 Meter in den Wald hinein angedacht werden, um eine natürliche Entwicklung solcher Übergangsbereiche zu fördern. Ohne Beweidung würden solche beispielsweise ins Offenland gelegte Zonen ansonsten schnell wieder aufwachsen und verschwinden.
Dr. Detlef Kolligs (Projektleitung)